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Mut zum Kompliment! Nicht immer leicht im politischen Diskurs.

Das Verteilen von Komplimenten ist eine kulturelle Praxis, die weit zurückverfolgt werden kann. Es ist wahrscheinlich, dass Menschen schon in vorgeschichtlichen Gesellschaften begonnen haben, Anerkennung auszudrücken, um soziale Bindungen zu stärken und Sympathie zu fördern. Das Schwierigste im Leben ist wohl die Selbstbeurteilung und darum ist eine Rückmeldung aus unserem Umfeld wichtig. Ist sie positiv, gilt sie als elementare soziale Belohnung.

X-mal am Tag setzen wir kleine Anerkennungen als Schmiermittel im Tages-Dialog ein:

„Alle Achtung!“

„Tolle Präsentation. Glückwunsch!“

„Chapeau!“

„Schön, Sie kennenzulernen.“

Mark Twain: „Von einem richtig guten Kompliment kann ich zwei Monate leben.“

Ein Kompliment richtig zu geben, beinhaltet Ehrlichkeit und soll sich auf konkrete Eigenschaften oder Handlungen beziehen. Von Herzen kommend, haben wir ein Gefühl, sichtbar zu sein, und etwas an uns zu haben, das dem Gegenüber auffällt und gefällt. Beide Seiten erleben durch das Kompliment kurzfristig die gleiche positive Empfindung.

Reaktion auf ein unpassendes Kompliment

Oh weh, das ging daneben!
Wie reagieren wir auf ein verrutschtes Kompliment? Das ist nicht ganz einfach, denn jeder Mensch hat seine eigene Toleranzgrenze. Am besten reagieren wir, indem wir keine große Sache daraus machen, bleiben trotzdem positiv, denn die andere Person wollte uns etwas Nettes sagen, und das ist auf jeden Fall eine freundliche Reaktion wert.

Übergriffige „Komplimente“, insbesondere, wenn sie auf unangemessene Weise auf Aussehen oder persönliche Intimität abzielen, sollten kommentiert werden, indem klargestellt wird, warum das jetzt verletzend ist. Respekt vor den Grenzen der anderen ist immer entscheidend.

Manche Komplimente haben allerdings die Leichtigkeit eines Panzers: „Für Ihr Alter haben Sie sich aber gut gehalten!“ „Dafür, dass Sie ein Mann sind, wirken Sie sehr anteilnehmend.“ „Jetzt muss ich Ihnen aber mal was Schönes sagen.“ „Das kannst wirklich nur du tragen!“

Diejenigen, die Lobeshymnen austeilen, müssen auch einstecken können.

Preist jemand unsere geschickte Präsentation oder unser gewinnendes Wesen, bestätigen wir selbstbewusst diese Nettigkeit – oder sagen einfach strahlend lächelnd „Danke.“ Gespielte oder echte Bescheidenheit kommt nicht gut an: „Finden Sie echt?“ ist die schlechteste aller Antworten auf ein Kompliment! Das hinterlässt einen leicht schalen Nachgeschmack, so, als würde ein Geschenk abgelehnt.

Komplimente im politischen Diskurs

Sicherlich ist es möglich, im politischen Diskurs Komplimente zu machen, selbst wenn die Meinungen weit auseinander gehen, vorausgesetzt, dass dies respektvoll geschieht und dabei die Prinzipien und Handlungen im Vordergrund stehen. 

So weit, so gut. Immer mehr erleben wir jedoch ein politisches Umfeld, das von Verrohung geprägt ist, so dass ernstgemeinte Nettigkeiten als Verhöhnung oder Beleidigung wahrgenommen werden. Viele Menschen überlegen sich inzwischen gut, ob in Debatten, in denen der Diskurs stark polarisiert ist, eine Wertschätzung an politische Gegner*innen überhaupt noch wahrgenommen wird. 

Dabei können Komplimente eine Vielzahl von Absichten transportieren: Sie sollen die Argumentation des Gegenübers unterstützen, Konflikte vermeiden oder abbauen, die Distanz verringern. Schon ein höflicher Tonfall kann eine Grundlage für ein konstruktiveres Gespräch schaffen.

Auf der anderen Seite sollten niveaulose „Nettigkeiten“ zurückgewiesen werden, ohne sich emotional darauf einzulassen. Es sagt immer mehr über den Schwätzer aus als über einen selbst. Auf jeden Fall hat es etwas mit eigener Größe zu tun, wenn wir höflich bleiben. 

Tipp: Kontrollieren Sie Ihren Gesichtsausdruck doch einmal vor dem Spiegel! Ist Ihr Lächeln echt, offen, herzlich, spöttisch während Sie sich selbst ein Kompliment geben? Denn alle, die sich selbst freundlich und entspannt etwas Nettes sagen können, denen gelingt das auch bei anderen. Susanne Helbach-Grosser, Februar 2024