Zack, die rhetorische Falle schnappt zu und ich sitze darin! Was als harmloses Geplänkel an der Theke beginnt, artet in eine handfeste politische Diskussion aus. „Migranten nehmen unserer Jobs weg!“ Antwort aus der Falle: „Migranten nehmen uns NICHT unsere Jobs weg“.
Kognitive (gedankliche) Linguistik ist ein relativ neuer Forschungsansatz. dieser betrachtet Sprache als fundamental für unser Denken und Verhalten. Wörter sind immer in irgendeiner Art körperlich verankert und mit Bedeutung aufgeladen. Die Sprachmuster wirken tief, sie rufen Wertvorstellungen ab. Wie funktioniert das? Durch Frames.
Was sind Frames?
Frames sind sprachliche und gedankliche Deutungsrahmen, die wir nutzen, um Informationen zu verstehen. Sie sind eine Art Filter, über die wir Informationen Bedeutung beimessen. Je nachdem, welchen Frame ich verwende, kann ein und dieselbe Information unterschiedlich erscheinen. Rahmen heißt „Frame“ auf Englisch, und die Fähigkeit, den engen Zusammenhang von Sprache und Wahrnehmung zu nutzen, heißt deshalb „Framing“.
In den USA wird in jedem Wahlkampf schon lange auch das Framing bewertet: War es möglich, Gegner/Gegnerin als Kriminellen/Ehebrecher/Schuldner zu „framen“? Konnte sich derjenige aus diesem Kontext wieder befreien?
Populisten arbeiten häufig mit Umdeutungen und sprachlichen Verschleierungen, die ihre Positionen als akzeptabel erscheinen lassen, obwohl sie es nicht sind. Auf rechtspopulistische Frames sollten wir uns nicht beziehen. Auf keinen Fall sollten wir sie verneinen! „Migranten nehmen unsere Jobs weg“ – dadurch wird ein Frame aktiviert, der Migranten als Diebe versteht. Die falsche Antwort wäre: „Migranten nehmen uns nicht die Jobs weg.“ Dadurch wird ein Frame aktiviert, der ja eigentlich vermieden werden sollte. Die etwaige bessere Antwort mit meinem mir wichtigen Argument könnte sein: „Wir alle möchten ein Teil dieser Gesellschaft sein. Neuankommende schaffen als Teil unserer Gesellschaft neue Arbeitsplätze und tragen zu unserem Wohlstand bei“ (Ulrike Grassinger, Sozialpsychologin).
Frames können die wertebasierte Sicht eines Menschen prägen und die Weltsicht verändern.
Es ist für viele einfacher, sich auf die Sprache der Rechtspopulisten zu beziehen. Anstatt die eigene Weltsicht zu reflektieren, verneinen wir sie lieber, weil wir gelernt haben, Bezug zu nehmen. Das heißt: Wenn ein Populist das Wort Verbrechen in den Mund nimmt, sagen wir im Impuls: „Nein, das ist kein Verbrechen.“ Schon sind wir wieder in die Falle getappt.
Sprache transportiert eigene Werte.
Hier einige Beispiele aus dem rechtspopulistischen Bedrohungs-Szenario.
Flüchtlings-Tsunami, -welle, -flut: Das körperlich abgespeicherte Gefühl einer riesigen Welle, die uns bedroht. Vor dieser Gefahr müssen wir uns schützen.
Mehr Demokratie: dagegen dürfte ja eigentlich niemand etwas haben. Das ist aber eine schwammige Forderung, die jeder anders versteht. Die Umdeutung des Begriffs bedeutet in etwa: „Wir sind jetzt dran“.
Solidarität: Daran muss man gemeinsam arbeiten. Der Frame ist dann „dass der natürlichste Rahmen für eine Familie, die wir ja irgendwie als Gesellschaft sind, die Nation ist.“ Ein Garten – mit einem Zaun drum herum. Und dass alles, was sich von außen in diese Familie einschleicht, ein Eindringen darstellt. Solidarität wird mit Protektionismus verknüpft.
Rechte Kampfbegriffe wie den „Sumpf austrocknen“, „völkisch, „Deutsche als Opfer einer Umvolkung“ (ein zynisches Beispiel für einen Euphemismus/Stilmittel, um etwas zu beschönigen) stoßen uns wohl von ganz alleine auf.
Ein Beispiel für eine Formulierung mit offener Bedeutung (kann leicht anders verstanden werden als sie gemeint ist), ist Seehofers „Obergrenze für die Zuwanderung“. Dabei geht es nicht um eine Obergrenze für Flüchtlinge, sondern letztlich um eine Obergrenze für die Zuwanderung.
Populistische Botschaften verankern sich durch konsequente Wiederholung sehr im Bewusstsein breiter Teile der Öffentlichkeit. Viele (Journalisten) übernehmen solche Begriffe und damit die Deutungsweisen der Absender. Teilweise dramatisch wirkende Wörter werden verschoben und erscheinen plötzlich attraktiv. Der Begriff „Flüchtlingswelle“ schaffte es leider auch in den Düsseldorfer Karneval.
Wie wappnen wir uns gegen sprachliche Tricks?
Wir sollten uns darüber im Klaren sein, wie Sprache unsere Gedanken- und Gefühlswelt beeinflusst. Die eigenen Weltansichten sollten definiert und sprachlich umgesetzt werden. Wer an ganz konkreten Sprachbeispielen arbeitet, findet bestimmt hilfreiche Frames und vermeidet weniger hilfreiche.
Ein erster Versuch wäre es, Flüchtlinge in Flüchtende umzubenennen, denn: im Deutschen ist der Anhang „ling“ schwierig. Das erinnert an Eindringling, Sträfling, Widerling, Schwächling, Fiesling … Viele negative Begriffe im Deutschen tragen am Ende ein ling. Susanne Helbach-Grosser (September 2017)