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Lecker, lecker!

„Land und lecker“ – „Lecker aufs Land“ – „Lecker (H)essen“. TV-Sendungen überbieten sich im Leckersein: „Bunt und lecker“, „Lecker kochen“, „Lecker backen“. Eine Food-Fachzeitschrift gleichen Namens gibt’s auch.

Firmenchef Willi Pfannenschwarz wird uns mit seiner Seitenbacher Müsli-Werbung noch lange im Ohr bleiben: „leckerleckerlecker“ …

Allerhöchstens im hohen Norden Deutschlands sei es erlaubt, eine Speise oder ein Getränk mit dem L-Wort als ein angenehmes Geschmackserlebnis zu beschreiben. Gar nicht ginge das in der Schweiz oder in Österreich. Dort sei ein Essen „fein“ beziehungsweise „schmeckt es gut“. Dennoch hat der Baseler sein Traditionsgebäck „Leckerli“.
Deutsches Wörterbuch (DWB)
Die Brüder Grimm beschrieben Im Grimm die Bedeutung des Eigenschaftsworts als etwas, „was gut zu lecken (schlecken) ist“. 48 Leck(er)-Wörter sind dort aufgeführt von „Leckerbissen“ bis „Leckwerk“. Leckerhaft steht für köstliches Essen, für guten und gesunden Wein sowie für die leckerhaften Reichen eines Landes: Ein Weib so jung, so schön und säuberlich, dass selbst der leckerste der Prasser es schmausen möcht aus Salz und Wasser (Gottfried August Bürger).

Deutsch-Land = Lecker-Land?
Manche erstarren, sobald sie das L-Wort hören. Aber was ist so verkehrt daran? Dieses Adjektiv sei eine schlimme Verarmung der Sprache, meinen sie, eine geistlos nachgeplapperte Floskel, wo es doch so schöne Begriffe dafür gäbe. „Lecker“ sei wie „nett“ – das möchte auch kein Mensch sein.
Pfui, der Adel sagt schon gar nicht „lecker“ (zu fleischlich). Und gleich erwischt: die TV-Serie heißt „Von und zu lecker“.

Bis heute werden propere junge Frauen als „leckere Deern“ (Plattdeutsch), „lecker Mädsche“ (Rheinland) und in Holland als „lekker meisje“ betitelt. „Komm mal lecker bei mich bei“ ist die Aufforderung, näher zu rücken.
Später verkam „Lecker“ zum Schimpfwort für allerhand Schlingel und Gecken und alte Frauen konnten sich laut Grimm „weidlich lecker halten“.

Behaupte also niemand, „lecker“ sei ein Modewort der heutigen Zeit. Seltsam undekliniert wird es allerdings des Öfteren verwendet: „Wir hatten lecker Vorspeisen“. Oder jemand ist lecker geworden auf die Neue in der Nachbarschaft oder auf gebuttertes Rosinenbrot.

Gehoben speisen

Bevor wir vor Entzücken das nächste (Gast-)mahl loben: „Das ist jetzt aber mal sehr, sehr lecker“ – denn das sagt man wirklich nicht außerhalb einer Würstelbude – erinnern wir uns in der Tat an einige treffendere Adjektive wie: köstlich, delikat, fein, wohlschmeckend, appetitlich, wundervoll, vortrefflich/vorzüglich, gelungen, sehr angenehm, würzig, ausgezeichnet, herrlich, pikant, aromatisch, herzhaft, erlesen, edel, hervorragend, exzellent, sehr gut, ausgesucht, großartig, grandios, deliziös, geschmackvoll, schmackhaft, raffiniert …

Kann denn ein Wein „lecker“ sein?

Oder ist dann die Kommunikation über ihn zu Ende? Ja, bei Weinkenner unweigerlich.
Besser gewöhnt man sich schon früh aussagekräftige, aber schlichte Formulierungen an, wie: „Sehr präsenter Duft nach Tabak, eingemachten Beeren und ein wenig Zedernholz. Klare, reife Frucht im Mund, zartwürzig, mit Noten getrockneter Blüten, Kakao und Kandisspuren, feines Tannin, ein Hauch Leder, spürbarer Alkohol“. Oder:

„Moderates Bouillon-Bouquet, leicht muffiger und zugleich prägnanter, hervorragend reifer Gaumen, der dennoch sehr viel introspektiven Spaß bereitet, körperreich, hocharomatisch, langlebig. Pflaumen und Brombeeren in der mineralischen Nase, Espressobohnen und eingelegte Baumnüsse in der tiefgründigen Nase, unterlegt mit feiner Lakritze-Süße. Trotz der wuchtigen Struktur immer frisch. Im Glas undurchlässiges Purpur. Viel Stoff bis ins Finale – ein Schwergewicht mit üppiger Persönlichkeit.“

Und manchmal darf ein Wein ganz einfach auch mal lecker sein!

Lecker, leckerer, am leckersten, nicht unlecker das Ganze, findet Susanne Helbach-Grosser (2017)