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Muslimische Mitbürger*innen – Knigge ist achtsam

Als Dank für seinen bewegenden Vortrag erhielt der muslimische Referent vom städtischen Vertreter im Beisein aller ein Präsent mit Weinen aus der Region. Unsensibel? Ja.

Als Bilder der bemerkenswerten Willkommenskultur um die Welt gingen, sah man, wie engagierte Deutsche an die eben angekommenen Flüchtlinge neben Obst auch Gebäck und Süßigkeiten verteilten. Toll gemacht, aber unsensibel? Ja.

Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit beobachte ich – auch bei mir selbst – dass es doch etliche Unsicherheiten im Zusammenleben mit unseren muslimischen Mitbürgern gibt. Für viele Deutsche ist der Islam eine etwas mühsame Religion, wie’s scheint. Man weiß nie so recht wo Fettnäpfchen lauern. Andersherum ist es genauso – das erübrigt jetzt (hier) die Frage, wer sich eigentlich in welche Kultur integriert.

Da ist die Sache mit dem Handgeben von Mann zu fremder Frau: traditionell geht das gar nicht. Höfliche mündliche Begrüßung mit einem Kopfnicken (die Ideologie dahinter kann hier nicht Thema sein!).

Das Ausziehen der Straßenschuhe an der Wohnungstür: unbedingt, wenn Teppich/Teppichboden zu sehen ist, er wird auch ohne speziellen Gebetsteppich zum Beten genutzt.

Wie gehen Muslime mit Weihnachten und seinen vielen Symbolen um?

Dabei machen es uns kulturell angenäherte Muslim*innen ziemlich leicht. Nicht zuletzt durch ihre Kinder ist Weihnachtliches in ihren Alltag gekommen. In Kindergarten und Schule werden Adventskalender gebastelt, Kekse gebacken und Nikoläuse verteilt. Der Besuch eines Weihnachtsmarktes ist normal. Christliche weihnachtliche Merkmale verbinden Muslime mehr mit den Feierlichkeiten des Jahresabschlusses. An Silvester verteilt der „muslimische“ Coca-Cola Weihnachtsmann seine Geschenke unter den Kindern.

„Frohe Weihnachten!“ „Schöne Feiertage!“

Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen werden von muslimischer Seite „Schöne Festtage“ gewünscht. Das ist unverfänglich und es verstehen alle Religionen. Sensible Christen sprechen ihre Glückwünsche zum Ende des Fastenmonats Ramadan aus – „ʿĪd mubārak“ (arabisch) oder „Bayraminiz mübarek olsun“ (türkisch). Beides bedeutet so viel wie „Gesegnetes Fest“. Diese guten Wünsche werden in Kartenform versendet und online. Fastenbrechenfest und Opferfest sind die wichtigsten Tage im islamischen Kalender. Die genauen Daten müssen jährlich erfragt werden.

Aiman A. Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland formuliert so: „Wir verschicken grundsätzlich Weihnachtsgrüße, genauso wie wir an den hohen jüdischen Feiertagen gratulieren. Ein respektvoller Umgang mit den Nachbarn ist im Sinne des Islam“. Und: „Wir machen bei den ein oder anderen deutschen Bräuchen mit. An christlichen Ritualen nehmen wir jedoch nicht teil.“ Das Krippenspiel in der Kirche ist also eine Grenze.

Eine Weihnachtsgans am ersten Feiertag? „Klar genießen wir die manchmal“, verriet mir meine neue türkische Nachbarin. „Auch ein Gläschen Raki oder Wein ist absolut vertretbar – nur betrunken zu sein ist beschämend für uns.“

Die Geschenke – Prophet Mohammed sagte: „Macht einander Geschenke, denn ein Geschenk entfernt den Ärger aus der Brust“. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, weiß der Deutsche.
Koran und Sunna schreiben vor, was Muslime essen und trinken dürfen, Erlaubtes heißt darin Halal und Verbotenes Haram. Halal-zertifizierte Betriebe sind unter www.halal-zertifikat.de zu finden. Alles was zum Verzehren gedacht ist muss frei sein von Alkohol, Schweinefleisch, Gelatine und von nicht genau definierten tierischen Fetten. Für Muslime finden sich unerlaubte Bestandteile zum Beispiel in Torten, Schmalzgebäck, Pralinen (Alkohol), Schokoriegeln (Gelatine, Alkohol), Fruchtgummi. Vegane Lebensmittel machen es heute einfach.

Was geht? Ein Präsentkorb zum Beispiel. Gefüllt mit frischem Obst, sehr gutem Speiseöl und Kräutern. Vorsicht bei Gewürzmischungen. Auch Pflegeprodukte (z. B. Veleda-Kosmetik) sind willkommen. Das berühmteste Wasser der Welt, Eau de Cologne, ist für deutsche Nasen wie für Rosenwasser verwöhnten osmanische Nasen hopp oder top: Entweder angenehm duftend wie „ein italienischer Frühlingsmorgen nach dem Regen mit Aromen von Orangen, Pampelmuse, Bergamotte und Kräutern meiner Heimat“ (Zitat des Erfinders Johann Maria Farina 1708). Oder ein ziemlich penetrantes Zeug. Also Vorsicht damit – vorher ausloten, wo’s passt.

Wer tiefer in die Tasche greifen möchte, sollte wissen, dass Männer keine Seide und kein (echtes) Gold tragen dürfen (Frauen sehr wohl), Silber ist kein Problem.

Schnitt-Blumen gehen immer. Auch Topfpflanzen in schönen Gefäßen. In der Türkei gibt es keine Blumen, von denen man glaubt, dass sie Unglück bringen. Das Verschenken von Blumensträußen in Saudi-Arabien ist unerwünscht, „denn dieser Brauch beinhaltet unrechtmäßigerweise Geldverschwendung und die Nachahmung der Feinde Allahs.“ Knallhart im Institut für Islamfragen abgedruckt.

So oder so: „Ein Geschenk, das kein Opfer ist, ist kein Geschenk“ (John Steinbeck), Susanne Helbach-Grosser (2018)