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Feinfühligkeit erhält die Freundschaft

Schon so manche Freundschaft ist zerbrochen oder Geschäftsbeziehung versandet, weil es an der nötigen Feinfühligkeit fehlte. Wer erfolgreich ist und mehr Geld verdient als der andere, sollte besonders vorsichtig sein, um keinen Neid zu erregen und den Selbstwert anderer nicht zu untergraben. Bescheidenheit ist noch immer eine Zier und vor allem guter Stil.

Wer besser verdient, sollte generell Rücksicht auf seine Freunde und Freundinnen nehmen, die nicht im gleichen Maße mit materiellen Gütern gesegnet sind. Ich würde sie hin und wieder einladen, und das dann auch vorab als Einladung deklarieren. Es darf jedoch kein Abhängigkeitsgefühl aufkommen und schon gar nicht etwas Gönnerhaftes. Im Restaurant muss man als besser gestellter Partner nicht unbedingt die teuersten Gerichte bestellen, wenn man weiß, dass sich die anderen das nicht leisten können.

Natürlich kann es Situationen geben, in denen es verzwickt wird. Zum Beispiel beim Vorschlag für eine gemeinsame Urlaubsreise. Feinfühlige ohne finanzielle Beschränkungen werden dann nicht großartig fragen: „Kommt Ihr über Pfingsten mit nach Kalifornien?“ Oder: „Wir chartern eine Segeljacht im Mittelmeer, macht Ihr mit?“ Das bringt die anderen, die sich das nicht leisten können, in die Verlegenheit, bei der Ablehnung entweder zu lügen oder die Wahrheit zu sagen. Das hebt nicht unbedingt ihr Selbstwertgefühl, das gute Freunde eigentlich stärken sollten.

Ein gewisses Selbstbewusstsein ist auf beiden Seiten gefragt: Der, der sich nicht so viel gönnen kann, weiß, wo seine Grenzen sind und formuliert das auch hin und wieder – der andere protzt nicht mit seinen Möglichkeiten, leistet sich jedoch seine Fernreise und teilt die Erfahrungen anschließend mit den Freunden.

Ähnlich ist es mit Geschenken, die ja normalerweise ein Beziehungsangebot und oft genug gegenseitiger Austausch sind. Etwa zu Geburtstagen. Da sollte man sich genau überlegen, ob ein über Gebühr wertvolles Geschenk angebracht ist. Die anderen, die nicht so viel Geld ausgeben können, fühlen sich dann verpflichtet, mit „gleicher Münze“ zurückzuzahlen. Das löst allerdings Unmut aus und kann die Freundschaft erheblich beeinträchtigen.

Auch bei Geschäftspartnern ist auf Ausgewogenheit im Spendieren zu achten. Das Gesetz des Gleichgewichts wird verletzt, wenn im Business einer mehr gibt als der andere. Es bleibt ein schlechtes Gewissen zurück, die erfahrenen Wohltaten nicht erwidern zu können oder zu wollen. Das löst unterschwellige Aggression aus und kann den Geschäftserfolg torpedieren. Der Sensor der Feinfühligkeit ist in allen Lebenslagen ein unverzichtbares Instrument, um Beziehungen zu erhalten und festigen. Susanne Helbach-Grosser (2016)