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Wie viel Tattoo darf es sein im Job?

Jeder fünfte Deutsche soll schon dauerhaften Körperschmuck haben. Tendenz steigend. Tattoos waren bisher in fast keiner Kultur bloße Dekoration, sondern wer sie trug, signalisierte immer Zugehörigkeit oder Abgrenzung. Wirkten Tattoos einst wie ein Unterschichtphänomen, hat sich ihr Image im 21. Jahrhundert geändert. Akzeptanz finden sie und die dazugehörenden Lebenseinstellungen heutzutage bei Jüngeren wie bei Älteren.

Inzwischen sind Menschen aller Milieus tätowiert und im Joballtag sind Tätowierungen nicht mehr wegzudenken. Kunst am Körper hat unsere Arbeitswelt verändert. Das wirft Fragen auf: Wie gehen Unternehmen damit um, dass immer mehr Mitarbeiterinnen ihr individuelles Erscheinungsbild so selbstbewusst zeigen? Dass sie als Repräsentantinnen einer Firma, einer Behörde oder einer Institution eventuell Irritationen bei Kundinnen und Kunden auslösen und auf Geschäftsreisen in anderen Kulturen damit anecken?

Die meisten tätowierten Menschen sind sich bewusst, dass es immer noch Aversionen gegen ihre Art der Selbstinszenierung gibt – und sie unter Umständen Nachteile bei der Berufswahl haben. In der Ablehnung eines Bewerbers (m/w/d) argumentieren manche Branchen dann beispielsweise mit „Zeichen eines gesteigerten Erlebnisdranges“ oder „einer überzogene Individualität“.

Generell ist unvergänglicher Körperschmuck Privatsache

Der Arbeitgeber darf nicht verbieten, sich tätowieren zu lassen – wohl aber fordern, sichtbare Tattoos abzudecken. Da Arbeitgeber das Recht haben, Richtlinien für das äußere Erscheinungsbild der Mitarbeitenden festzulegen, können Bewerber*innen im öffentlichen Dienst sowie in allen Berufen mit direktem Kundenkontakt Einschränkungen im Auswahlverfahren erleben. Das heißt, Vorgesetzte machen bei der Einstellung klar, dass womöglich auch kaum auffallende Tätowierungen und Branding im Dienst nicht für die Öffentlichkeit sichtbar sein dürfen und eine so genannte T-Shirt-Grenze eingehalten werden muss.

Aber nicht immer werden Tattoos zum Jobhindernis. Die Toleranz variiert je nach Gewerbe. Passt das eigene Image zur Marke des Unternehmens, haben Jobsuchende gute Karten. Dazu können Jobs im kreativen Sektor, im IT-Bereich, Positionen in Szeneläden oder auch in handwerklichen Berufen gehören.

Ein Mehr an Freiheit bedeutet auch immer ein Mehr an Verantwortung

Unternehmen werden spezifische Überlegungen anstellen müssen, inwieweit sie Tätowierungen bei Mitarbeitenden mit Außenkontakten erlauben wollen. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, sie sagt etwas aus über das Portfolio des Unternehmens und seine Zielgruppe. Eine gute offene Orientierung für die Mitarbeitenden muss sein – ungeschriebene Gesetze sind meist nicht förderlich.
Nicht zuletzt sollten international agierende Firmen detaillierte Informationen über den Umgang mit Tattoos in anderen Ländern einholen. Zum Beispiel können die USA jemandem mit allzu offensichtlichen Tätowierungen die Einreise verweigern. Weitgehend unerwünscht, wenn nicht sogar strafbar, sind offen getragene Tätowierungen in Japan, im islamisch orientierten Ausland, auch in der Türkei, in Saudi-Arabien, im Judentum und in buddhistischen Ländern. Ausgenommen sind weitestgehend Gebiete mit westlichem Lebensstil und touristisch geprägten Regionen.
Susanne Helbach-Grosser, Imme Vogelsang, Mai 2020