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Ja, wie närrisch sind denn Sie?

Nun hat sie uns wieder fest im Griff – die fünfte Jahreszeit.
Meine Lübecker Freunde können nur mitleidig gucken, wenn sie von unseren süddeutschen diesbezüglichen Aktivitäten hören: „Hat sich nicht Fasching schon ein bisschen überlebt? Die jungen Leute können doch heutzutage immer Party machen. Ja, früher … das konnte man ja verstehen, wenn dann alle einmal jährlich ausbrachen … Wie sich die Leute in dieser Ausnahmezeit benehmen! Mit peinlichen Kostümen, abstoßender Musik, Männerballett … Und mit konservativen Besoffenen können wir nun mal nichts anfangen!“

Wenn das Karneval-Gen fehlt, dann beginnt das Grauen schon erbarmungslos mit der Radiowecker-Tätärä-Musik. Angeblich fliegen ganze Flugzeugladungen von Hamburg und Berlin an den Rhein, um zu schunkeln. Nicht jeder kann für die tollen Tagen die Gegenrichtung nehmen. Oder im Büro ein Pappnasenverbot aussprechen.
Jetzt stellen Sie sich vor, als echter Faschings-, Karnevals- oder Fasnets-Muffel oder leidenschaftlicher Anhänger sollen Sie wichtigen Geschäftsbesuch betreuen. Es gibt nämlich immer ein paar „arme Schweine“, die ausgerechnet zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch Gäste aus Übersee treffen müssen.
Takt- und Stilregeln gibt es nicht nur in den Hochburgen Mainz, Köln oder Düsseldorf zu beachten.
Am Donnerstag vor Rosenmontag (Weiberfastnacht) ist es Brauch, dass Frauen den Männern die Krawatten abschneiden. Wer sich’s gefallen lässt, wird mit einem Schmatz belohnt. Viele alte Krawatten im Handgepäck = viele Bützje! Wer einen Horror davor hat läuft den ganzen Tag mit einer selbst abgeschnittenen Krawatte herum oder mit einer Fliege, dem absoluten Spaßkiller! Und gänzlich unmöglich ist sauertöpfisches Gebrumme beim Anblick einer Schere: „Komm mir bloß nicht zu nah!“
In Düsseldorf wird „Alt“ verkauft und „Helau“ gerufen. In Köln rinnt nur „Kölsch“ die Kehle runter bevor „Alaaf“ gerufen wird. Niemals verwechseln!
In den Städten ist es laut, auch tief in der Nacht. Darum sollten Ihre Gäste besser auf Hotels im Umland ausweichen, die gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind, denn niemand kann sich an diesen tollen Tagen auf (bestellte) Taxis verlassen.
Wer seine (ausländischen) Gäste in den Genuss der Straßenumzüge bringen will, sollte sich 1-2 Stunden vorher am Straßenrand einfinden, um gute Sicht auf den Gaudiwurm zu haben. Keine Angst – niemand verdurstet dabei! Mitschunkeln ist besser gegen die Kälte als (zu viel) Schnaps. Ausländische Kunden freuen sich über ein neckisches Hütchen, einen Neckrüssel oder einige Rollen unverfänglicher Luftschlangen. Raten Sie jedoch davon ab, am nächsten Tag damit „kostümiert“ ins Meeting zu kommen.
Prunk- und Galasitzungen haben meist eine Kleiderordnung (von kostümiert bis Smoking), die ernsthaft beachtet werden sollte, dann kann es ganz lustig werden. In diesem Jahr sind als „Häs“ Barrak Obama und Horst Schlämmer angesagt. Info für die fremden Gäste: Nur mit schriller Kostümierung lassen sich die bösen Geister vertreiben. Jeder hat jedoch seine eigene „Schmerzgrenze“, was Humor und Peinlichkeit betrifft. Ihre eigene Kostümierung sollte deshalb die Geschmacks- und Toleranzgrenze Ihres Gastes nicht überschreiten.
Und: Lassen Sie ihn niemals allein! Geben Sie ihm das Gefühl, er sei mittendrin, statt fünftes Rad am Wagen.
In einem „Karnevals-Knigge“ las ich den treffenden Satz: „Karneval ist keine intellektuelle Leistung, sondern kommt aus dem Bauch – und darauf muss man sich einlassen!“ Mit einem Helau und einem Alaaf, Susanne Helbach-Grosser (2010)