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„It`s Bartime” – Knigge genehmigt sich was

Charles (Karl Georg) Schumann betreibt die wohl bekannteste Bar Deutschlands: das Schumann’s in München. Im September (2016) kommt sein Dokumentarfilm in die Kinos. „Bargespräche“ ist eine Reise um die Welt mit dem erfolgreichsten deutschen Barkeeper, Rezepte-Erfinder und Autor, der vor gut 40 Jahren seine Karriere begann, als man Cocktails noch nach Farben trank.

Bars spielen in unserer heutigen Freizeit-Kultur eine wesentliche Rolle. Von der Szenebar, proppevoll mit „Young Professionals“ bis zur Poolbar – es gibt nichts, was es nicht gibt! Wer eine Vorliebe für Hotelbars hat, wird jede Gelegenheit nutzen, bei einem Aufenthalt einen Abstecher in den Hort der erlesenen geistigen Getränke zu machen.

Niemand muss „Schwellenangst“ vor Plätzen dieser Art haben.
Es gelten die gängigen Umgangsformen und mit gesundem Menschenverstand wird jeder einen außerordentlichen Abend verbringen.

Täuscht der Eindruck, dass sich seriöse Barkultur gezielt unmodisch verhält? Nein, tut er nicht. Es scheint hier in Mode, keinem Trend zu folgen. Man orientiert sich an klassischen Rezepten. Das hat etwas Verlässliches. Der Lieblingsdrink schmeckt auf der ganzen Welt gleich. Lammkoteletts mit Speckböhnchen sind ja auch schon da, sobald man irgendwo hinkommt!
Obwohl festgestellt werden kann, dass sich einige alte Rezepturen veränderten. Sie büßten ihre bittere Note ein. In manchen steckt nun brutal viel Zucker drin.

Ankommen

Es hat was, am frühen Abend in eine Bar zu gehen und ein, zwei Drinks vor dem Essen zu nehmen. Der Aperitif stiftet Gespräche – egal, wo er eingenommen wird. Er dient nie der Zecherei, sondern lässt uns vom Tag in die Nacht gleiten. Ein erprobter Small Talk-Einstieg ist die Frage in die Runde oder an den Barkeeper, welches elegante Wort es eigentlich für die Lust auf ein Getränk gibt. Versuchen Sie es einmal. Es gibt keins – dafür köstliche Wortschöpfungen. (Beim Essen haben wir zum Beispiel „Appetit“, weil „Hunger“ zu platt ist.)

Als Hotelgast, zum Beispiel während einer Tagung, ist es sinnvoll Plätze für eine bestimmte Uhrzeit vorzubestellen, vor allem, wenn man mit einer Gruppe kommen möchte. Einen Sitzplatz – ohne eigene Anwesenheit – mit einem Kleidungsstück schon vor Erscheinen zu sichern ist Malle-Style und entbehrt jeder Rechtsgrundlage.
Wer sich selbst einen Platz sucht, sollte sich fragen, was er vorhat: am Bartresen dem Barkeeper bei der Arbeit zusehen und so schneller bedient werden? Eine ruhigere Ecke zum Plauschen finden oder recht nah beim Barpianisten sitzen?

Erwartungen und Befindlichkeiten

Erwarten dürfen Gäste unter anderem, dass Barkeeper (m/w/d) sachkundig und liebenswürdig beraten, Drinks korrekt zubereitet und serviert, dass er diskret ist und Verständnis für Sonderwünsche hat. Korrekte männliche Bezeichnungen sind: Barmann, Barkeeper oder Barmixer; weibliche: Barmaid, Barkeeperin oder Barmixerin. Verfügt das Barteam dann noch über artistische Fähigkeiten mit oft atemberaubenden Showelementen (Flairbartending), wird der Abend sehr vergnüglich.
Ein Gast sollte Fachkräfte auch als diese behandeln und nicht wie „Lakaien“. Oft zu beobachten sind Besucher, die nicht in den (Luxus-)hotels wohnen. Sie müssen in den hauseigenen Bars noch um Bewunderung buhlen. Die, die sich die Preise leisten können, haben das nicht nötig. So können sie ziemlich einfach auseinander gehalten werden.

Das eigene Trinkverhalten, sprich seinen „Sättigungspegel“ zu kennen, ist von Vorteil. Obacht mit Cocktails! Die trinkt man gerne weg wie Fruchtsaft. Sie scheinen so gesund als hätten sie Ernährungs-Docs verordnet. Können die für Abstürze sorgen! Ehrlicher ist alles Ungemixte: Bier, Wein, unverdünnte Schnäpse. Da merkt man rechtzeitig, wenn man genug hat. Ein guter Barkeeper denkt in dieser Beziehung für seine Gäste mit. Er baut die Drinks immer sinnvoll auf, wechselt dabei nicht die Basis des Getränks – man bleibt bei Whisky, Cognac, Wodka oder Ähnlichem.

Es gibt immer Gründe, als Kundenbetreuer oder Gastgeber*in nüchtern zu bleiben. Wenn man befürchtet, dass die Stimmung „kippt“, weil der Verantwortliche keine alkoholischen Drinks zu sich nimmt, instruiert man den Barkeeper vorher mit einem „Codewort“, damit er unauffällig Alkoholfreies ins Glas füllt. „Virgin“ und „light“ stehen für Getränke ohne Alkohol. Tricks, die Drinks wie „echte“ aussehen zu lassen, gibt es viele.

Die Garnitur auf und am Glasrand sollte generell ohne Verrenkungen essbar sein. Jeder entscheidet selbst, ob der Fruchtspieß vor dem Trinken abgeknabbert oder auf einem Tellerchen/ Serviette beiseitegelegt wird. Wer den gleichen Drink nochmals bestellt und keine Deko möchte, sagt: „No vegetables, please.“ Bevor man ins eigene Glas greift, um überzählige Eis Cubes etc. zu entfernen, den Barmann bitten. Er nimmt gerne einen Schöpfer dazu. Mögen Sie kein Eis im Alkohol, bestellen Sie den Drink „neat“ (sauber).

Apropos Codewort: Allein oder in der Gruppe im Barroom – viele Frauen erleben leider, dass manche Männer ihre Grenzen nicht respektieren. Ein Codewort gegen sexuelle Belästigung macht gerade die Runde. Wer bedrängt wird, wendet sich an das Barpersonal mit der Frage „Ist Luisa hier?“. Dieses Codewort signalisiert dem Clubmitarbeiter, dass die Frau Beistand braucht. Belästigte Frauen wollen Hilfe, ohne sich für jedermann hörbar als Opfer zeigen zu müssen: darum nicht einfach „Hilfe“. Und Luisa heißt nicht umsonst „Die Kämpferin“.

Was geht noch in der Bar?

Den Barmann nach den Rezepten fragen – seine Geheimrezepte wird er jedoch kaum verraten. Der Barmixer (Pianist) darf eingeladen werden – das Getränk bestimmt er selbst, natürlich auch alkoholfrei.
Gute Leistung wird mit angemessenem Trinkgeld honoriert. Wer einen erstklassigen Abend hatte, gibt ein erstklassiges Trinkgeld! Als Faustregel dürfen es in Deutschland 10 – 15 Prozent der vertrunkenen Summe sein. Wer in der Hotelbar seine Rechnung auf das Zimmer bucht, zeichnet ab und legt den Tip in bar dazu.
Spielverderber an und in der Bar sind alle, die ansteckend mies drauf sind und andere maßregeln! Susanne Helbach-Grosser (September 2016)