Takt und Stil Logo

Frühling macht Lust.

Lust auf Eiscreme.

Viele Eiscafés locken zu Saisonbeginn mit neuen Kreationen. Kunden können sich neben ihren bevorzugten Klassikern auch auf Rote Beete, Birne mit Parmesan und grüne Smoothies am Stiel einlassen. Gemüse-Kompositionen sind die Renner der Saison.

Vielleicht eine gute Methode, kleine Pflanzenkostmuffel an den Geschmack von Gemüse zu gewöhnen – mit Gefrorenem.

Schmecken in jungen Jahren

In den ersten Lebensjahren schmecken unsere Sprösslinge äußerst intensiv mit ihren bis zu 10.000/cm² Geschmacksknospen.
Wir alle werden zwar mit geschmacklichen Neigungen geboren, jedoch hat ein Säugling instinktiv eine Vorliebe für Süßes, der einzigen Nahrung, die für ihn ohne Risiko ist: Milch. Alles Bittere (Chicorée, Radicchio, Oliven, Rosenkohl) sowie Saures hält er für ungenießbar, ja gefährlich. Ganz im Sinne der Evolution. Schmecken dient der Nahrungskontrolle. Tolle Sache: Der bittere Geschmack wird 100.000fach intensiver wahrgenommen als der süße. Dafür sorgen 25 verschiedenen Rezeptoren auf den Geschmacksknospen – für Süßes nur ein einziger.
Dreijährige empfinden eine Flüssigkeit erst als süß, wenn sie 8,6 Gramm Zucker enthält, Achtjährige können den Geschmack schon mit 4,4 Gramm erkennen (Sensoriklabor des Technologie-Transfer-Zentrums Bremerhaven).
Irgendwann verlangsamt sich die Zellteilung, viele Geschmacksknospen regenerieren sich nicht mehr, Rosenkohl bekommt eine Chance und dem Erwachsenen graust es nun vor dem pappigen Süß seiner Kindertage.

Geschmack ist wohl der am wenigsten untersuchte Sinn. Ein perfektes Zusammenspiel von Textur, Temperatur, Farbe, Geruch, Schärfe, Konsistenz, Stimmung und Erfahrung. All diese verschiedener subjektiven Wahrnehmungsreize nennen wir Geschmack, den wir unterscheiden können in süß, salzig, sauer, bitter, herzhaft („umami“ = Glutamat) und wahrscheinlich in Fettsäuren. Scharf ist kein Geschmack, sondern Schmerz. Vier Arten von unterschiedlichen Papillen, die sich auf dem Zungenrücken befinden sind daran beteiligt. Ein multisensorisches, kompliziertes Erlebnis!

Geschmackssinn für Fett

Eine Erklärung für Übergewicht könnte sein, dass Menschen mit einem schlechten Geschmackssinn für Fett die aufgenommene Menge nicht erkennen können und munter weiterfuttern. Apropos weiterfuttern: Wer seine Nahrungszufuhr sofort drosseln möchte, sollte sich die Zähne putzen – ein probates Mittel. Anisgetränke (Pastis, Ouzo, Raki) betäuben die Geschmackssinne ebenso für längere Zeit. Auch greifen Alkohol und Rauchen stark in die Mundflora ein. Kocht also ein qualmender, trinkender Küchenchef nur noch aus seiner Erinnerung?

Der Geruch bestimmt das Schmecken

Und zwar bis zu 80 Prozent. Schnupfen blockiert die Nase. Kennen wir alle. Total mau, die Geschmäcker dann. Geruchswahrnehmungen ändern sich aber auch – und unangenehme Gerüche dienen dem Selbstschutz bis hin zum Würgereflex. Intensiver (normaler) Essensgeruch kann als sehr unangenehm empfunden werden, wenn der eigene Appetit gestillt ist. Gehen Sie mal gut gesättigt mittags in ein Gebäude, in dem gerade die Kantine gelüftet wird! Oder im Meeting nach der Mittagspause sitzt ein Kollege, der zuvor den „Knossos Teller“ beim Griechen vertilgte. Wissen Sie, was ich meine? Fehlt jedoch der Geruchssinn dauerhaft, ist die Lebensqualität deutlich eingeschränkt. Weder ein sinnliches Erleben (Essen, Natur …) ist noch möglich, auch geht eine wesentliche Warnfunktion verloren.

Das Auge isst mit!

„Igitt!“ ruft das Kind an der Eistheke: „Blaues Eis!“, weil es noch nicht weiß, dass „Schlumpfeis“ völlig harmlos ist. Würde man ihm ein blaues Würstchen oder eine eingefärbte Frikadelle geben, fände es das zumindest skurril. Bei Erwachsenen würden die Alarmglocken schrillen, denn blaues Fleisch kommt in der Natur nicht vor. Es könnte verdorben sein.

Hier noch einige bemerkenswerte Details in Kürze:

  • Ein gestresster Mensch nimmt Süße schwächer wahr, da der Körper Zucker als Streicheleinheit für die Seele will.
  • Verliebte Köche (w/m) versalzen das Essen. Stimmt im Kern. Zur Produktion bestimmter Hormone benötigt der Körper (Koch-)Salz. Die Empfindungsschwelle für Salz wird dann vom Körper so hochgelegt, dass der Koch unweigerlich nachsalzt.
  • Aromen werden besonders intensiv wahrgenommen, wenn der Körper erhitzt aber entspannt ist (Essen und Trinken in der Badewanne …)
  • Leichter Hunger schafft höhere Sensitivität für Geschmacksdifferenzen – Weinverkostungen etc. sollten deshalb vor der ersten Hauptmahlzeit des Tages vorgenommen werden.
  • Vom 20. Lebensjahr an lässt die Fähigkeit zu schmecken nach – ein 80jähriger Mensch verfügt nur noch über ca. 2000/cm² Geschmacksknospen. Weiß man das in Seniorenheimen?

Sorbets sind Appetitanreger und Neutralisierer. Sie werden im Menü nach den Vorspeisen oder nach dem Fisch und vor dem Fleischgang gereicht. Die angenehme Wirkung dieser kleinstmöglichen Zwischenmahlzeit kannte man schon vor etlichen hundert Jahren bei arabischen Gelagen. Der süßen Kühltrank aus Rosinen hieß scharbat = Trank. Heutzutage sind Sorbets mit ihrer relativ geringen Kalorienmenge ein allgegenwärtiger Genuss. Susanne Helbach-Grosser (2017)