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Bier? Bier! Knigge braut sich was

Gerade offeriert der erwartungsvolle Kellner die Weinkarte – so umfangreich wie eine Gutenbergbibel – da fragt der Gast nach der Bierauswahl. Erschüttertes Gesicht über der Bibel!
Leider gilt Bier nicht so viel auf der Getränkekarte der deutschen Gourmettempel. Weil es sich angeblich nicht rechnet. In der Spitzengastronomie liest sich die Wasserkarte im Vergleich oft umfassender. Dabei lassen sich absolut hochpreisige und lagerfähige Bierspezialitäten auf die Karte nehmen. In anderen Ländern funktioniert das auch. Der Bierfreund muss wirklich kein schlechtes Gewissen bei seiner Bestellung haben.

Für viele Konsumenten ist Bier lediglich der schnelle Durstlöscher vor der eigentlichen Mahlzeit, danach wird Wein genossen. Manch überzeugter Weintrinker rümpft die Nase: Bier gilt für ihn als Getränk des kleinen Mannes. Bölkstoff. Prollig. Stammtisch halt.
Von wegen!

Also gut, im alten Ägypten war Gerstensaft Teil der Zwangsverpflegung der Pyramidenbauersklaven, in Griechenland das Getränk der armen Leute. Aristoteles beobachtete, dass zu viel Bier nur nach hinten kippen lasse, zu viel Wein aber nach allen Seiten. Das nur am Rande.

Seit einigen Jahren ist zu beobachten, wie Brauereien mit Edelsorten versuchen, Bier als Feinschmeckergetränk zu etablieren. Kleine – und auch große – Traditionsmarken haben plötzlich Kultstatus und bieten zum Teil richtig teure Biere an. Der dänische Brauereikonzern Carlsberg vermarktet „Das teuerste Bier der Welt“ seiner Tochterbrauerei Jacobsen. Fast 270 Euro die Flasche – nicht die Brauerei! Das muss man für eine Bouteille Jacobsen Vintage No. 2 erst einmal ausgeben wollen. Der langwierige Herstellungsprozess sorgt für einen 16-prozentigen Alkoholgehalt sowie für den kostspieligen Genuss. Und zu welchem Gericht degustiere ich dann meine 0,375 Liter? Der Aromenmix aus Karamell, Vanille, rauchiger Eiche und Sherry will entsprechend kombiniert werden. Wohl dem, der auf die Empfehlung eines Bier-Sommeliers (m/w) vertrauen kann.

Hier braut sich was zusammen

Die Craft-Beer-Welle hat Deutschland seit einigen Jahren erreicht. Gemeint sind gewisse – auch alte – Biersorten, die kunstvoll (wieder) hergestellt werden und sich im Geschmack wie vom Herstellungsverfahren von der breiten Masse abheben (India Pale Ale/IPA, Dry Hopping, Imperial Stouts …). Der Grundgedanke ist einfach: Mehr von allem! Mehr Hopfen, mehr Malz, mehr Alkohol. Sie weisen facettenreichen Aromen und Bouquets auf und sind gute Begleiter zu Herzhaftem (Wild, Geräuchertem …), zu Meeresfrüchten und sogar zu Desserts, weil sie mal fruchtig süß, mal minzig frisch schmecken. Ob Craft Beer dem Cocktail Konkurrenz machen wird? Nach und nach erobern einige dieser Biere auch die Gastronomie.

Natürlich ist die traditionelle deutsche Bierkultur bereits vielfältig. Gerade im süddeutschen Raum gibt es ausreichend kleine inhabergeführte Kleinbrauereien, die Biere mit Charakter brauen. Deren Konsumenten gegen die – für manche – „Craft-Plörre“? Jeder trinkt halt, was ihm schmeckt. Wenn Sie’s mögen, ist’s gut!

Ganz vorne dabei auf dem Luxusmarkt ist Start-up-Unternehmen „Braufactum“, an dem Bier-Konzern Radeberger maßgeblich beteiligt ist. Über 30 internationale Edelbiersorten werden vertrieben zu Preisen zwischen 2,99 und 29,99 Euro pro Flasche. Manche Sorten reiften neun Monate in Whiskyfässern und vergären mit Früchten nach.

Das Ur-Bier

Das wurde wohl durch einen Zufall entdeckt. Irgendjemand vergaß vor 6.000 Jahren ein Stück nicht durchgebackenes Gerstenbrot in einem Pott Wasser und muss das „Angegorene“ beim Verkosten für gut befunden haben. Jedenfalls begann das Volk der Sumerer zu dieser Zeit Bier herzustellen. Sie veredelten das Gebräu mit Gewürzen, Kräutern und Honig. Soll trüb gewesen sein, das Ganze und klebrig-süß.
Essen und Bier. Welches Bier wozu?

  • Helles gilt als Allrounder, mag man zu fast jedem Essen.
  • Pils/ Pilsener, ein weiches blondes Bier, hat etwas Unkompliziertes. Der gute Appetitanreger, passt auch zur Vorspeise, zu leichten Gerichten wie Fisch und neutralisiert etwas den scharfen Geschmack der arabischen Küche.
  • Helles gilt als Allrounder, mag man zu fast jedem Essen.
  • Dunkles kommt vollmundig daher, etwas süß mit Röstaromen und Schokolade – angenehm zum dunklen Braten, Eintopf und mächtiger Torten-Süßspeise.
  • Weizenbier ist kohlensäurehaltiger, fruchtig, erfrischend. Weil seine Süße die Schärfe der Speise etwas abmildert, vertragen sich indische und asiatische Currys gut damit.
  • Bock-Biere haben einen Alkoholgehalt von 6 bis 7 Prozent. Starkes Bier braucht eine starke Speise, wie zum Beispiel Braten mit Knödeln oder Blauschimmelkäse.
  • Pale Ale – siehe Pils
  • Dark Ale passt zu frittierten Fleischgerichten.
  • Ein Lager geht gut mit mediterranen Fischgerichten.
  • Bittere Biere schmecken vorzüglich zu geräuchertem Fisch, Käse, Fleisch, Schokolade und deftigen Desserts.
  • Das amerikanische Lager wird empfohlen für die thailändische, mexikanische oder peruanische Küche.
  • Ale de Bélgica ist speziell. Perfekt zu Salat, Reis, Feta Käse.
  • Amber Lager ist ein dunkles Bier mit trockenem Geschmack. Passt zu Pizza, tomatiger Pasta und ebensolchen Reisgerichten.
  • Brown Ale hat was karamelliges, auch schokoladiges mit weiteren Röstaromen. Ideal zu gebratenem Schweine-/Hühnerfleisch.
  • Schwarzbier – da fällt einem gleich Guinness ein, nicht wahr? Seinen Ursprung hat es jedoch in Thüringen und Sachsen (1543) und wird dort bis heute gebraut. Wunderbar zu Schwarzbrot mit cremigem, starkem Käse, Rinderbrust, Sauerbraten, Nachtischen mit Schokolade und Kaffee. Austern werden sehr gerne in Verbindung mit Schwarzbier genannt. In diese Kategorie gehören Porter, Cream Stout, Imperial Stout und Bockbier.
  • Rauchige deutsche Biere (z. B. Brauerei Spezial in Bamberg) gehen gut mit – na ja – Schinkenpizza + Mettwurst.

Kochen mit Bier? Hier einige erprobte Tipps.

Bei dunklen Broten kann man das Wasser durch Malzbier ersetzen – die zusätzliche Kohlensäure macht es lockerer. Funktioniert auch bei herzhaften Pfannkuchen. Grillfleisch sollte 24 Stunden in einer Marinade mit Gerstensaft ziehen. Unsere Großmütter kannten noch die interessante Bier-Komponente im Gulasch oder der Wirsing-Roulade. Rezepte für z. B. Sabayon finden Sie unter dem Begriff „Brauerpudding“ im Internet.

Bier ist also nicht gleich Bier und eigentlich ist der Alkohol die einzige nachteilige Substanz im Bier, der Rest ist richtig gesund!

Hier können Sie sich weiter informieren und was erleben: http://www.bier-deluxe.de;
http://www.biermap24.de. Und niemals vergessen – sechs Bier sind ein Essen!
Susanne Helbach-Grosser (2017)